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FA-Artikel: 800 Jahre Taubermühlen
„Fränkischer Anzeiger“ Rothenburg T. vom 24.12.1959
Ein Jubiläum besonderer Art: 1959 - 800 Jahre Taubermühlen, 800 Jahre Tauberesel
Von Archivar Heinrich Schmidt
Über der Vergangenheit – wie über der Zukunft – liegt dichter Nebel. In der Stauferzeit erst lichtete sich über unserem Tauberland
der Nebelschleier des Nichtwissens. 1142 wurde die Stauferzeit über der Tauber und die königliche Hofhaltung Konrads III.
gegründet. Und von dieser Hofhaltung aus strahlte erst tatkräftiges Leben ins Umland. In dem kurzen Zeitraum von 10 Jahren bis
zum Tode Konrads 1152 war wie aus einem Gusse die Burgsiedlung Rothenburg erwachsen, so wie es der innere Mauerring zeigt.
Unter seinem Sohn Herzog Friedrich, genannt „das Kind von Rothenburg“, schoß es schon die ersten Ansätze darüber hinaus . Als
der 13 jährige Prinz 1158 als Herzog von Schwaben zu Rothenburg mit der fränkischen und schwäbischen Ritterschaft von
Augsburg aus den Kaiser Friedrich I. zu einem Romzug nach Italien begleitete, öffneten sich ihm und seinen Begleitern ein Blick in
eine neue Welt. Schon beim Abstieg von den Alpen, an einem reißenden Bergstrom entlang, sahen sie Neues. Von den mächtigen
Bergwassern getrieben, drehten sich gelenke Mühlenräder, um den lombardischen Städten Mehl, geschnittene Bretter, gewalkte
Tuche zu ihrem Gewerbefleiß und zu ihrem Wohlstand zu liefern – vor dessen Reichtum die deutschen Ritter und das Kind von
Rothenburg bald erstaunten! Da mag wohl in der Seele des hellwachen und tatfreudigen Staufersprosses die Frage erstanden
sein: Könnte nicht auch die sprudelnde Tauber der Vaterstadt Rothenburg solchen Gewerbefleiß bringen, statt daß sie ungenutzt
zu Füßen der Burg vorüberströmt? Es gab ja damals wohl nur eine „Mühle zu Detwang hinter der Kirche“.
Als dann im November dieses Jahres der Kaiser auf den ronkalischen Feldern vor den Fürsten, Bischöfen, Stadtherren Italiens wie
vor seinem deutschen Gefolge den Reichstag abhielt, an dem die römischen Rechtsgelehrten aus Padua, Bolgna die Rechte des
Kaisers verkünden mußten: die Bergrechte, Münzrechte, Wasserrechte usw., da wurde der junge Herzog von Rothenburg an seine
Mühlenfrage erinnert. Der Kaiser hatte das Recht, Mühlen zu errichten und zu beaufsichtigen. Bald wandte sich Friedrich von
Rothenburg an seinen kaiserlichen Vetter, um sich von ihm das Recht, Mühlen an der Tauber zu erbauen, verleihen zu lassen. Der
Kaiser gewährte es gerne.
Es geschah
So konnte Friedrich den Vogt Arnold von Rothenburg beauftragen, den Wunsch in die Wirklichkeit umzusetzen! Es geschah.
Schon die Tatsache, daß auf einer Strecke von einer guten Stunde Wasserlaufs auf einmal hintereinander und oft ganz dicht
nebeneinander 16 Mühlen sich aneinanderreihten, zeugt von königlichem Willen. Und der Besitz dieser Mühlen in den Händen der
kaiserlichen Ministeralen zeugt ebenfalls für den Gründer!
Noch dicht bewaldet!
Zu dieser Zeit war das Engtal der Tauber noch dicht bewaldet, worin nun die Mühlen wie kleine lichte Zellen erstanden. Die Mühlen
benötigten keinen weiten Raum; sie erhielten nur Platz für einen Garten und etwas Weideland für ihre Tragtiere. Feldbau wurde
ihnen nicht auferlegt. Sie bekamen nur das Recht, Schweine und Geflügel zu halten, um die Abfälle ihres Gewerbes auszunützen,
und in ihrem Mühlbach das Recht des Fischfangs.
Die Furten
Die Mühlen entstanden vor allem an den Furten, welche über die Tauber hinüberführten. Eine alte Überfahrt über die Tauber
benötigte der „Kaiserweg“ , d. i. der Heerweg der Karolinger von Würzburg ins Ries gegen Bayern – Schwaben, den auch
Bonifatius nach Rom ging. An dieser Furt hatte König Konrad das Siechhaus St. Leonhard errichten lassen, um hier die
Kreuzfahrer aus dem Morgenland abzufangen und sie auf Seuchenverdacht zu untersuchen, damit die königliche Hofhaltung nicht
gefährdet wurde. Hier erstanden die Siechen- und Haldenmühle, die dem Siechhaus zinsbar gemacht wurden.
Jüngere Furten gab es zu Füßen der Burg: Ein Reitweg, der von der Burg herabführte, ein Weg aus der neu erstandenen Stadt
heraus (= Kobolzeller Steig und Säusteig) zielten über die Tauber gegen Leuzenbronn. Hier entstand eine Brücke und an ihr die
„Bruckenmühle“ (=Herrenmühle) sowie die „Hagmühle“ (=Lukasrödermühle) und nahe dabei die „Baumgartsmühle“
(=Hansrödermühle).
Der Reitweg von der Burg herab suchte auch „bei der Blink“ einen Übergang über die Tauber in die Heimat der Staufer (über
Leuzendorf). Hier entstand die „Blinkmühle“ (=Steinmühle); in einer Sackgasse etwas oberhalb davon entstand die
„Huswirtsmühle“ (=Schwabenmühle, Wildbadmühle).
Die Blinkmühle, Bruck- und Hagmühle wurden dem Vogt von Rothenburg gültbar.
Die älteste Furt war am Abstieg von der Reutsächser Steig zum Aufstieg der „Kurzen Steig“, ein altfränkischer Weg von Worms -
Wimpfen, der zum Raugau (Windsheim) hinüberführte. Hier entstand eine Mühle, welche der Staufer den Johannitern zuwies,
welche in Rothenburg ein kleines Spital für Pilger errichtet hatten, genannt die „Spittelmühle“ (=Brunnenmühle). Etwas talabwärts,
gegen Detwang, wurde auf einem „Werth“ (=Insel) eine Mühle „Werthmühle“ (=Ludleinsmühle) erbaut. Und noch näher an
Detwang entstand die „Pfladermühle“ (=Pulvermühle).
Unterhalb von Detwang wurde die „Leuenmühle“ (=Langenmühle) errichtet, welche wieder dem Vogt von Rothenburg zustand, und
bei der Einmündung des Steinbaches wurde die „Steinbachmühle“ (=Weißenmühle) erbaut.
Einzelne Mühlen hatten gar keine Zufahrt; sie konnten nur auf Fußpfaden erreicht werden, wie die „Lysenmühle“
(=Schmalzmühle), welche ebenfalls den Johannitern zugeteilt wurde, oder die „Fuchsmühle“ , über welche der Markgraf von
Baden Lehnsrecht erhielt, oder die „Stegmühle“.
Schwierige Anlieferung
Die Anlieferung von Getreide zu den Mühlen sowie der Aufstieg mit Mehl aus den Mühlen zur Stadt war schwierig. Eine Talstraße
gab es bis 1386 überhaupt nicht. Auch von Mühle zu Mühle gab es nur Fußpfade durch den Wald im Tal! Aber der Gründer der
Mühlen, Herzog Friedrich, hatte in Italien auch den Ausweg aus dieser Verkehrsschwierigkeit gesehen. Für Transport auf
schwierigen Bergpfaden gab es dorten: Esel!
Es sind keine in Deutschland beheimateten Tiere; sie stammen aus dem Mittelmeerraum; ihre Urheimat ist Aegypten – Palästina!
Aber es sind als Steppenbewohner genügsame Tiere, die sich überall eingewöhnen lassen. Und es sind tragfähige Tiere gleich
„lastbare Esel“, die auf Steinen, steinigen Pfaden, sicheren Schritts emporzusteigen vermögen. So beauftragte Herzog Friedrich
seinen Vogt Arnold, auch gleich einen Trupp dieser Tragtiere zu kaufen und über die Alpen hinweg nach Rothenburg zu
verbringen. So konnten sie 1159 ins Taubertal kommen, als die Taubermühlen errichtet und mit Müllern und Mahlknechten besetzt
wurden.
16 Taubermühlen
So standen nun wohl am Ende des Jahres 1159 - vor 800 Jahren - die 16 Taubermühlen, und die die Tauberesel begrüßten ihren
neuen Wirkungsraum mit lautem I – a. In allen Fluren rings um die Stadt, nicht nur am Herterich, sondern auch in der Flur von
Gattenhofen oder von Aidenau usw. haben wir noch die Flurnamen der „Eselswege“, die vom Taubertal nach Osten und Westen
ins Land hinausführen, und die „Eselsäcker“, an denen entlang die Esel das Recht hatten, Mundraub zu nehmen. Die Esel wurden
ein Kennzeichen des Taubertals und vor allem Rothenburgs. In der Stadt gab es einen eigenen Beruf von „Eseltreibern“, wie die
Steuerbücher der Topplerzeit ausweisen. Aber gerade die Topplerzeit tat den Taubereseln Abbruch! Denn einerseits überlastete
der große Landerwerb Topplers das Mühlengewerbe und andererseits brach er im Taubertal Bahn, denn er baute noch 1383 eine
Taubertalstraße durchs Engtal, so daß jetzt Wagen fahren konnten, wo bisher nur Tauberesel und Eseltreiber über Steingeröll und
durch Buschpfade stolperten! Das Bessere ist des Guten Feind! Die Zahl der Tauberesel nahm mit zunehmenden Verkehr ab, und
schließlich starben sie ganz aus.
Von einer Mühle müssen wir noch besonders sprechen, von der „Stegmühle“; sie hieß in der Stauferzeit die „Walkmühle“ und
gehörte den Lodern, denn Herzog Friedrich führte gleichzeitig mit dem Mühlengewerbe das Handwerk der Tuchmacher (= Loder),
in Rothenburg ein, nicht nur um den Bedarf der Stadt zu decken, sondern, wie es im „Willkürenbuch“, heißt „um gutes
Kaufmannsgut zu machen“. Die Loder wohnten in der „Lodergasse“ zwischen Johanniterkapelle und Wendgasse. Auf dem Feld bis
hinauf zur Erbsengasse bauten sie ihre Rahmen auf, auf denen sie die in der Walkmühle naß gewalkten Loden ausspannten und
trockneten. Noch in der Zeit Topplers waren die Loder die reichste und vornehmste Zunft des Rothenburger Gewerbes. Auch sie
könnten mit den Taubermüllern und den Taubereseln jetzt eine 800-Jahr-Feier veranstalten, wenn sie nicht wie die Tauberesel
ausgestorben wären. Nur die Müller könnten es noch tun! Ganz allein die 800 – Jahr Feier der Tauberesel fand rechtzeitig statt, in
dem die Erbauer der Blinktalbrücke bei der Steinmühle (auf der Straße ins Stauferland) dem Tauberesel ein Denkmal errichteten!
„Fränkischer Anzeiger“ Rothenburg T. vom 24.12.1959, Archivar Heinrich Schmidt
Sammlung: Werner Knausenberger, 13.4.2020